TV Dessau 92 läuft in Japan

Für dieses Jahr fiel die Wahl meines Urlaubs auf die Zeit der Kirschblüte in Japan. Neben dem Besuch der Familie meiner Frau und einer Woche Rundreise war, schnell ein weiteres Ziel gefunden. In Japan wollte ich meinen 6. Marathon laufen. Am letzten Urlaubswochenende standen gleich drei Marathon zur Wahl und ich entschied mich für den am nächsten gelegenen Ort Tsuchiura an dem Kasumigaura See, dem zweitgrößten Binnensee Japans in der Präfektur Ibaraki, kaum 1,5 Stunden mit dem Zug von Tokyo entfernt. 

Dem Lauf gingen zwei Wochen Urlaub voraus. Die Vorbereitung musste deshalb bereits in Deutschland abgeschlossen sein. Von Januar bis Anfang April hatte ich bereits 1.000 Trainingskilometer absolviert, so dass in Japan nur noch ein paar kurze Läufe auf meiner „Hausstrecke“ eingeplant waren. Aus Erfahrung jedoch nie ohne Smartphone und Komoot-App.

Mit dem Luxus einer Vortagsanreise und Hotelübernachtung nur 5 Minuten vom Start entfernt, war ein wenig Stress genommen. Trotzdem musste am Vorabend vor Ort gecheckt werden, wo die Startunterlagen am Wettkampftag abgeholt, wo der Kleiderbeutel abgegeben werden kann und wie mich meine Frau wiederfindet.

Neben dem Marathon und Internationalen Blindenmarathon fanden noch einige kürzere Läufe statt, so dass insgesamt 14.000 angemeldete Starterinnen und Starter im Baseball-Stadion herumliefen. Außerdem waren noch etliche Food-Stände aufgebaut, so dass der Überblick ein bisschen verloren ging.  

Typisch für Japan hat die Organisation funktioniert. Für die wenigen ausländischen Starterinnen und Starter („overseas“) war ein eigener Info-Stand mit Englisch sprechenden Helfern eingerichtet. Die Kleiderbeutel wurden im „self-pickup“ in Regalen abgelegt und danach ging es wohlgeordnet und ohne Gedränge zum jeweiligen Startblock, wo man sich einfach dort hinstellt, wo die Läufer ähnlich schnell aussehen. In meinem Fall in der Mitte zwischen den Pace-Maker für 3:00 und 3:15 Stunden.

Bei bewölktem Himmel und etwa 22 Grad Celsius ging es auf dem ersten Kilometer SEHR gemütlich los. Mit 4:55 Minuten war ich bereits mehr als 30 Sekunden hinter meiner Planung zurück. Um nicht zu „überpacen“ ist das zwar völlig okay und es blieb genügend Zeit auf 41 km um das eigene Tempo und passende Mitlaufende zu finden.

An der Strecke waren nicht nur Zuschauer, sondern auch „organisierte Unterhaltung“ wie eine Trommlergruppe zur Anfeuerung vorhanden. Über ein wenig mehr Unterstützung für meinen „Exotenstatus“ als Europäer in Japan hätte ich mich dann aber doch gefreut.

Bis zur Halbmarathonmarke hatte ich mein Tempo von 22 Minuten für 5 km gefunden und mich auch an die Schrittlänge und T-Shirts in meiner unmittelbaren Umgebung gewöhnt, so dass sie später immer wieder vor oder hinter mir wiederfinden konnte.

Die Verpflegung mit Wasser, isotonischen Getränken und Bananen war im Vergleich zu einem Marathon in Deutschland noch deutlich enger. Alle 2,5 km gab es eine Verpflegungsstation. Auf andere Nahrungsmittel habe ich nicht geachtet, da ich ohnehin kein Risiko eingehen wollte und nur meine getesteten Gels nehmen wollte. Bei dem am selben Tag durchgeführten Tohoku Food Marathon werden auf der Strecke lokale Spezialitäten an die Laufenden verteilt. Wer hier durchkommen will, muss vermutlich eine Stunde zu seiner normalen Laufzeit hinzurechnen? Da ich noch zwei Stunden nach dem Marathon kaum meine Reisbällchen (onigiri) kauen und schlucken könnte, ist so ein Food-Marathon nichts für mich oder nichts für mich, wenn ich zwischen den Stopps Kilometerweit laufen soll…

Streckenplan

Bei etwa km 23 drehte der Rundkurs seine Richtung und es ging direkt am Kasumigaura See zurück zum Baseball-Stadion in Tsuchiura. Auf der ersten Hälfte träumte ich noch vom „negativen Split“ und so war km 21 tatsächlich der schnellste. Das kann auch daran gelegen haben, dass es durchaus hügelige Abschnitte gab und ein Berg-ab-Abschnitt etwas Speed gegeben hat.

Die zweite Hälfte würde dann nicht zum „Home-run“, sondern zu einem zähen Ankämpfen mit dem Gegenwind. 

Trotz aller Bemühungen, immer wieder Lücken zu anderen Gruppen zu schließen, waren die letzten 20 km einfach zu langsam, um wieder näher an die 3:00 Stunden heranzulaufen.

Da nur bei km 23 und km 32,5 zwei Stationen für den Rennausstieg vorhanden waren und ich mich auch nicht unbedingt auf meine Japanischkenntnisse verlassen wollte, war von vornherein klar, dass ich durchlaufen musste. Außerdem gab es ja noch die Finisher-Prämie, die ich mir nicht entgehen lassen wollte.

Nach drei Stunden war ich in der Nâhe von km 40 und hatte meine 6 Gels bereits geschluckt. Etwa 10 Minuten später war ich dann nach 3:10:27 Stunden endlich zurück und könnte die Belohnungen einsammeln. Hier eine Tüte mit Getränken und Bananen, dort ein Bier (natürlich wieder Zero), da ein Gutschein (kleine Pommes bei McDonalds, den ich nicht mehr eingelöst habe). Die Finisher-Prämie war eine kleine Flasche mit fassgelagerter Sojasoße. Ziemlich teuer und für etwas anderes als Sushi und Sashimi auch zu schade.

Vor der Zielankunft im Baseball-Stadion in Tsuchiura.

Na ja, ein wenig darf ich auch auf meine Leistung stolz sein. Platz 342 von 7503 und anscheinend zweitschnellster Läufer aus dem Ausland. Japanerinnen und Japaner sind nicht nur laufverrückt, sondern auch schnell. So waren vor mir viele Läufer, die deutlich älter waren als ich (AK M50). Ein paar kuriose Verkleidungen und Barfußläufer gab es natürlich auch dort vorne, wo ich mitlief.

Im Ziel findet mich mein Frau sehr schnell beim Dehnen und kann noch ein „Siegerfoto“ mit Sportgetränk und dem „Worldwide No. 1 Energy Bar“ (Banane) knipsen.

Im Ziel mit Energiedrink und gekrümmten Energieriegel.

So zurückhaltend Japaner auch gegenüber Ausländern sind, gab es nach dem Ziel doch noch eine nette Begegnung. Während meine Frau und ich mich auf Deutsch unterhielten, wurden wir von einem Läufer (AK M65) angesprochen und er erzählte uns (natürlich auf Deutsch, während ich mich bemühte auf Japanisch zu antworten), dass er im Jahr 1988 eine Radtour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz gemacht hat und dabei 4.000 km zurückgelegt hat. Hierüber hat er auch in der Deutschen Welle berichtet. Mit 3:22 Stunden war er auch nicht deutlich langsamer als ich, trotz etwa 15 Jahren Altersunterschied. Am Vortag hatten wir noch gerätselt, warum es in Tsuchiura ein Restaurant mit dem Namen „Elbe“ und deutscher Speisekarte gab und ob wir als Dessauer einen „Elbe-Rabatt“ bekommen würden. Wenn es in Japan gelingt, die Hemmschwelle der Sprache zu überwinden, kommen immer wieder nette und überraschende Begegnungen zustande.

Für mich hätte dies am Marathontag gereicht, doch hat sich noch eine weitere Disziplin angeschlossen. Was für Triathleten die Wechselzone ist, ist für den Marathoni nach einer Großveranstaltung die Suche des eigenen Kleiderbeutels! 

Eigentlich hätte ich den Beutel mit meiner Startnummer gleich finden sollen. Ich hatte ihn im „self-pick-up“ in das zweite Regal hinter dem Eingang, im zweiten Regalboden von unten an der linken Ecke , direkt hinter einem Startbeutel gelegt, dessen Nummer zwei Ziffern kleiner war als meine eigene. Klingt doch nach einem System?

Hätte ihn zweimal nachgedacht, hätte ich mir auch den richtigen Eingang gemerkt und das Tiersymbol an der Regalreihe. So bin ich gefühlt 20 Minuten lang immer wieder an denselben Regalen entlanggelaufen und habe nach meinen Beutel gesucht.

Am Ende mit trockener Kleidung und vielen Mitbringsel wieder zurück in der Bahn nach Hause und mit Vorfreude auf die Tage NACH dem Marathon in Japan.

Sich in Japan gesund und abwechsreich zu ernähren, ist überhaupt kein Problem. Viel Reis, Nudeln (Ramen, Udon, Soba), natürlich Fisch und frisches Gemüse. Ein Mittagsmenü für etwa 10 Euro ist keine Seltenheit und mit Boxen aus dem Supermarkt geht es noch günstiger. Hier ist eine Auswahl meiner „best of food“ unmittelbar vor und nach dem Marathon.

  • Mittagessen am Vortag – Bento-Box

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